Wann kann eine freistehende Photovoltaikanlage ausserhalb der Bauzonen bewilligt werden?

In unserem Kanton hat ein Landwirt ein Baugesuch für eine freistehende Photovoltaikanlage ausserhalb der Bauzonen eingereicht. Unter welchen Voraussetzungen kann eine solche Anlage zur Stromproduktion bewilligt werden?

In der Rubrik «Sie fragen – wir antworten» beantworten Juristinnen und Juristen von EspaceSuisse Fragen aus der Schweizer Rechtspraxis in der Raumplanung. Die Antwort auf obige Frage lautet:

Die Energiestrategie 2050 des Bundes stützt sich unter anderem auf den Ausbau der Produktion von Energie aus erneuerbaren Quellen. Auch die Photovoltaik spielt dabei eine wichtige Rolle. Im Hinblick auf das geplante Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien wurde die Raumplanungsverordnung (RPV) revidiert und am 1. Juli 2022 in Kraft gesetzt. Die vorgenommenen Anpassungen vereinfachen den Bau von gewissen Solaranlagen ausserhalb der Bauzonen (Art. 32c RPV).

Auch sogenannte Agrophotovoltaikanlagen (APV­-Anlagen) sollen neu ausserhalb der Bauzonen bewilligt werden können. APV-­Anlagen sind nicht primär freistehende Solaranlagen für die Stromproduktion auf der grünen Wiese. Sie müssen vielmehr der doppelten Nutzung von landwirtschaftlichen Flächen dienen: Auf ein und derselben Fläche erfolgt die landwirtschaftliche Produktion als Hauptnutzung, und als Zweitnutzung wird mit einer APV­-Anlage Strom produziert.

An diese doppelte Nutzung sind ausserdem noch bestimmte Bedingungen geknüpft: Die Verordnungsbestimmung verlangt, dass die Solaranlagen Vorteile für die landwirtschaftliche Produktion (z. B. Mehrerträge) bewirken oder entsprechenden Versuchs­ und Forschungszwecken dienen. Zudem dürfen APV-­Anlagen nur in wenig empfindlichen Gebieten realisiert werden (Art. 32c Abs. 1 Bst. c RPV).

Ob und wann Solaranlagen zu höheren Erträgen der landwirtschaftlichen Produktion beitragen, wird weltweit in verschiedenen Forschungsprojekten und Studien untersucht. Auch Agroscope betreibt eine Versuchsanlage in Conthey VS. Nach derzeitigem Kenntnisstand scheinen laut Untersuchungen schattentolerante Kulturen besonders geeignet zu sein für den Anbau unterhalb einer APV. Ein weiteres Anwendungsfeld ist der geschützte Anbau von Strauchbeeren. Konkrete Ergebnisse zu einer allfälligen Ertragssteigerung in der landwirtschaftlichen Produktion im Zusammenhang mit APV­-Anlagen liegen aber noch nicht vor.

Nach wie vor gilt, dass aus Gründen der haushälterischen Bodennutzung Solaranlagen schwergewichtig auf beziehungsweise an bestehenden oder neu zu erstellenden Bauten und Anlagen angebracht werden sollen, wie es heute nach Artikel 18a RPG möglich ist. Eine Bewilligung für eine freistehende APV­-Anlage ist zum heutigen Zeitpunkt lediglich zu Forschungs­ oder Versuchszwecken denkbar. Zudem braucht es bei jedem Vorhaben eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall (u. a. zur Landschaftsverträglichkeit der Anlage).

Infolge der beträchtlichen Auswirkungen auf Raum und Umwelt dürfte für den Bau mehrerer APV­-Anlagen die Schwelle der Planungspflicht im Übrigen relativ schnell erreicht sein. Dann benötigt die Anlage eine stufengerechte planungsrechtliche Grundlage in einem Nutzungs­ oder sogar Richtplan (Art. 32c Abs. 2 RPV i. V. m. Art. 2 RPG).

Quelle: Inforaum 2/2022

Weiterführende Informationen

  • Art. 18a Bundesgesetz über die Raumplanung (RPG) vom 22.6.1979, SR 700
  • Art. 32c Raumplanungsverordnung (RPV) vom 28.6.2000, SR 700.1
  • Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (in Vorbereitung nach Vernehmlassung)
  • Agro­Photovoltaik­Versuchsanlage bei Agroscope Conthey (Medienmitteilung vom 7.10.2021)

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